Ein Beiztag im Revier Clingen

Erlebnisbericht

 

Es ist Freitag früh, 9:00 Uhr und mein Körper sagt mir: Du bist viel zu früh aufgestanden heute, du bist noch müde, dir ist kalt, es ist neblig, nass und du hast Durst.

 

Doch die Jagdhörner beim Beizvogelappell vor dem Tagungslokal des DFO Thüringen in Gierstädt, bei dem die Reviereinteilung für den heutigen Tag erfolgt, belehren mich eines anderen … du bist jetzt wach und es geht los, nichts mit nochmal Pippi machen, Sonne, warm und Durst löschen. Das kann ja heiter werden...

 

Unsere Gruppe mit 5 Autos, 4 Beizvögeln und dem Hund „Brick“ setzt sich also allmählich in Bewegung. Es geht in das Jagdrevier Clingen, in dem wir mit Kolja - einem stattlichen Steinadler, Frieda und Uschi -beides Harris-Hawk-Damen und Doris – eine Habichtdame auf Kaninchen und Hase jagen werden.

 

Ich bin eine der TreiberInnen, die damit beschäftigt sein werden, mittels eines langen Stockes und des Einsatzes aller erdenklichen Muskelgruppen das Niederwild aus ihren Verstecken „zu drücken“ … sagt man so bei den Falknern. Also immer drauf auf die Büsche mit dem Stock damit die Kaninchen aufgeschreckt werden. Blätter fallen …

 

Unser Revierführer Andrè ist, entgegen meiner Person, in der Früh schon hellwach und irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass er einige Zeit bei der Bundeswehr verbracht haben muss. Seine Kommandos kommen fordernd, direkt und ohne Rücksicht auf meinen gegenwärtigen Gemütszustand.

 

Das klang in etwa so: „Susi, in die Mitte ! – Ralf rechts ! – die andere Susi ganz rüber du gehst drüben am Feldrand ! und Joachim durch die Hecke, Tobi mit ! … auf links !!“ ... und dann ging es auch schon los. Wir „drücken“ also eine mit hohem Gras bewachsene Fläche, auf der unter anderem Schwarzdorn und Hagebutte wächst, „durch“, in der Hoffnung das Niederwild zum weglaufen zu bewegen damit die Greifvögel es „schlagen“ können … Falknersprache halt ;o)

 

 

Kolja – der Steinadler, ist während dessen mit seinem Falkner und abseits von uns auf dem freien Feld unterwegs. Denn, wie ich schon vor einiger Zeit lernen durfte: Hasen liegen frei im Feld in einer „Sasse“ und Kaninchen verstecken sich unter, meist immer dornigen Büschen, und unter der Erde in ihren „Röhren“.

 

Kurze Zeit später raschelt es zum ersten Mal, die Vögel sind in Jagdlaune, die Falkner angespannt, … und es kommt – entgegen unserer Erwartungen - ein mittelgroßer Damhirsch durch das Gebüsch „gesprengt“ und uns allen standen die Münder und Augen offen, spektakulär – Damwild - hier.

 

Unser Erstaunen und die daraus resultierende kurzzeitige Unterhaltung wird durch das jähe „auf links“ vom Andrè unterbrochen und weiter geht’s … wir sind ja nicht zum schwätzen hier.Lächelnd

 

Weiter geht es durch die mit hüfthohem Gras bewachsenen Mulden, mit Sträuchern und Büschen bewachsene Hügel des Revier Clingens bis das Gebiet durch Drahtzäune begrenzt wird.

 

 

Weide --- mit sicherlich Tieren drauf, so lautete die Vermutung. „Guck mal ob Strom drauf ist“ lautete die Ansage. Niemand traut sich so wirklich bis ich kurz an das Draht fasse und merk … nein, nichts, kein Strom, sondern nur Frauenpower am Zaun, denn die männlichen „Kollegen“ trauten sich natürlich nicht, dort anzufassen.

 

Ein paar Meter weiter ein erneutes Rascheln, erneute Anspannung der Vögel und Falkner und wowh, geradewegs auf meinen Ralf zu, laufen 3 stattliche Rotwilddamen. Aus dem Gebüsch hörte ich nur „oh oh oh“ und ein lautes Knacken der Äste was von der Flucht der Rotwilddamen zum einen und der Flucht meines Ralfs vor den Rotwilddamen zum anderen herrührte. Alle 4 sind aber dann doch ohne nennenswerte Verletzungen aus diesem Rennen herausgekommen.

 

Im Verlaufe des weiteren Weges passierten nochmals 2 Rotwilddamen (oder auch Herren) unser Gebiet, bis wir vor einer Anhöhe ankamen die natürlich erst von uns erklommen werden musste.

 

Ich dachte gerade „oh nee, da hoch, man, ich bin Sekretärin und sitz normalerweise 5 Tage pro Woche 8 Stunden auf meinen Hintern, ihr wisst wohl nicht dass ich irgendwann nicht mehr kann,“ als ich plötzlich von oben auf der Höhe den Ruf „Haaaaase“ hörte, danach ein „Vogel frei“ und ein „lauf, lauf, lauf, lauf“.

 

Leider konnte ich den grandiosen Flug der Habichtdame Doris nicht sehen (da ich ja immer noch unten im Gestrüpp der Senke stand), die kurze Sekunden später ihren ersten Hasen überhaupt schlug.

 

Inzwischen oben angekommen sah ich in weiter Ferne eine kniende Falknerin, die kurz darauf wieder aufstand, ihren Vogel mit dem Ruf „Vogel fest“ auf die Hand nahm und einen doch recht schwer zu scheinenden Hasen hinter sich hertrug. Beim Erreichen unserer wartenden Gruppe bewahrheitete sich meine Vermutung, der Hase war ein stattliches Exemplar von doch recht hohem Lebendgewicht. Wahnsinn wozu so eine Habichtdame im Stande ist.

 

 

Vom Revierführer bekam die Falknerin die entsprechende „Auszeichnung“ für den ersten, von ihrer Doris geschlagenen Hasen.

 

Etwa 20 Minuten vorher hatte auch der Steinadler Kolja auf dem freien Felde Jagderfolg. Er brachte einen ebenso großen Hasen „zur Strecke“.

 

 

Nach vielzähligen „Falknersheil“-Wünschen ging es (wieder) hinauf zu einem kleinen Wäldchen mitten auf dem Feld in dem Kaninchen vermutet wurden. Leider konnten wir dort „keinen Besatz“ ausmachen und es ging zur schon länger von mir ersehnten Mittagspause, zurück zu unseren geparkten Autos. Endlich, Sitzen, Essen, Trinken und pipimachen.

 

Nach ca. 45 Minuten erreichte meine Ohren das durchdringende Wort „Soooo“ und ich wusste, Andrè hatte gesprochen … es ging also weiter. Wir setzen nach kurzer Fahrt mit dem Auto um in ein weiteres, kleineres Revier.

 

Aber auch dort konnten die Vögel, trotz vieler guter Flüge, leider keine Beute „zur Strecke bringen“, auch die Entenjagd in einem weiteren kleinen Revier verlief an diesem Tag erfolglos.

Mit zwei geschlagenen Kaninchen ging es also zurück zum Tagungslokal nach Gierstädt, dort wurde die „Strecke gelegt“ die an diesem Tag aus 2 Hasen und einem Rebhahn bestand.

 

 

Alles in allem war es ein toller, spannender und spektakulärer Tag im Revier Clingen. Leider lässt, nicht nur in diesem Revier, der Bestand an Niederwild permanent nach. Lagen vor 3 Jahren noch mindestens 15 - 20 „Kreaturen“ pro Beizwochenende auf der Strecke, so ist es an diesem Wochenende nur ein Bruchteil davon gewesen, sicherlich  geschuldet durch den immer größer werdenden Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln auf den Feldern und die Abschaffung von Feld-und Flurrainen, die die Lebensgrundlage für Niederwild bilden.

 

Mein Dank gilt den Falknern Andrè, Ramona, Rainer und Erik, dass ich an diesem Tag miterleben durfte wie die Falknerei, die sich die meisten Menschen nur als Flugshows auf Burgen und Schlössern vorstellen, wirklich funktioniert.

 

 

Es war ein wahrlich schöner Tag bei sehr schönem Wetter in wunderbarer Natur mit tollen Menschen und ebenso tollen Greifvögeln.

 

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